Montag, 22. April 2024

Was eigentlich alle über die FPÖ wissen

 Wieder einmal drängt die FPÖ in eine von der ÖVP angeführte Regierung. Da kann die ÖVP noch so sehr gegen Kickl angehen, niemand wird der ÖVP ernsthaft glauben, nicht sofort nach der nächsten Wahl mit der Kickl-FPÖ zu koalieren. Beiden Parteien geht es um Macht, Einfluss, Geld und Postenschacherei. Mit der ÖVP hab ich mich in meinem letzten Blogpost beschäftigt, heute schreibe ich über die FPÖ.

Die FPÖ ist heute unter Kickl mehr denn je eine in weiten Teilen rechtsreaktionäre bis rechtsextreme Partei und vertritt noch viel mehr als die ebenfalls rechtskonservative ÖVP folgende Dinge:

  • Der Kernpunkt der FPÖ ist Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, weißer Nationalismus/Staatschauvinismus und eine Festung Österreich bzw. Europa. Man möchte nicht nur alle Menschen unterschiedslos von Europa fernhalten, man möchte alle Menschen mit Migrationshintergrund, auch wenn sie in Europa geboren wurden, aus der EU ausweisen ("Remigration"). Bei der Wahl der Mittel ist man da nicht zimperlich. Die Grenzen müssen um jeden Preis gesichert werden, auch wenn das noch so viele Menschenleben kostet. Dafür möchte man die Genfer Flüchtlingskonvention genauso ändern wie die Europäische Menschenrechtskonvention. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass unser aller Grundrechte mit dieser FPÖ (wieder) zur Debatte stehen. 
  • Das gleiche gilt auch beim Thema Frauen- und Minderheitenrechte. Rechtsreaktionäre und Rechtsextreme weltweit möchten die Zeit zurückdrehen, u.a. weil sie ihre hegemoniale Männlichkeit - also das Patriarchat - "bedroht sehen", und aus Frauen wieder Menschen zweiter Klasse machen, die nicht über sich selbst bestimmen dürfen, denn Selbstbestimmung untergräbt das chauvinistisch-männliche Anspruchsdenken über die Frau und ihren Körper (glücklicherweise ticken nicht alle Männer so). Schwangerschaftsabbrüche sollen wieder verboten werden, weiters steht Verhütung in der Ehe zur Disposition und es wird nicht lange dauern bis das Recht auf selbstbestimmte Arbeit und eigenen Verdienst/eigene Ersparnisse/eigenes Geld nicht mehr garantiert ist. Die Frau soll Kinder gebären und dem Mann (dem "Haushaltsvorstand" bzw. "Hausvater") unentgeltlich den Haushalt führen. Sie soll kochen, putzen und den Mund halten - das wollen so genannte "male supremacists". Emanzipation und Feminismus sind der Feind, der zerstört gehört, eine angebliche "Verweiblichung" von Männern und Gesellschaft wird herbeifantasiert: dass damit beispielsweise gemeint ist, dass soft skills wie Empathie wichtiger werden und männliche Gewalt zunehmend geächtet wird, wird als ent-Mannung angesehen. Denn Männer stünden "kraft natürlicher biologischer Ordnung" (=evolutionsdarwinistischer Biologismus) über Frauen, wer das in Frage stellt - wie etwa Feminist*innen und Linke -, wird zum Feindbild. Parallel gelten LGBTIQA+-Minderheiten als das absolute Feindbild in der authochtonen Bevölkerung. Vor allem trans Menschen sollen totgeschwiegen, ausgelöscht und gecancelt werden. Aber auch homosexuelle Männer haben bei den Rechtsautoritären keine guten Karten. Das Ganze mündet in einen sehr ekelhaften Kulturkampf von rechts: Hegemoniale Männlichkeit ist dabei die "Einstiegsdroge" für rechtsextreme Ideologien - Incels wählen FPÖ. Misogyne Maskulinisten und misogyne Rechtsextreme (dazu zählt auch die radikale TERF-Hasssekte) sind kaum mehr zu unterscheiden.
  • Die FPÖ ist wirtschaftspolitisch die gleiche Reichenpartei wie die ÖVP. Bloß keine Steuern auf Erbschaften und Vermögen, bloß keine "Belastungen" für die Best"verdienenden". Dass sie es trotzdem schafft, von Arbeiter*innen gewählt zu werden, liegt daran, dass seit den 1990er Jahren der Diskurs weit nach rechts gedriftet ist. Was rechte bis rechtsextreme Gruppen heute regelmäßig rausposaunen, hätte damals zurecht Aufschreie hervorgerufen. Die FPÖ beherrscht die Klaviatur der Panikmache vor Zuwanderung perfekt und bedient  damit die dunkelsten Ängste der Menschen vor Jobverlust, vor dem Teilen-Müssen von "angestammten" Privilegien mit den "Fremden aus dem Ausland" und vor Gewalteskalationen durch "muslimische Terroristen". Leider liegt in jeder dieser Ängste ein Körnchen Wahrheit vergraben und das bringt der FPÖ die Stimmen der Menschen, die keine Parteiprogramme lesen und die sich von Gefühlen leiten lassen und nicht von Fakten.
  • Die FPÖ ist eine petromaskulinistische Partei. Das Benzinauto ist ein Heiligtum, dessen Benutzung nicht eingeschränkt gehört. Tempolimits werden als Freiheitsentzug empfunden. Gleichzeitig wird Umweltschutz als "Handlungsverbote" geframed. Hier geht eine ungeheure Wissenschaftsfeindlichkeit einher mit einer impertinenten Antiintellektualität, was in einer verschwörungsideologischen Klimawandelleugnung mündet. 
  • Dabei steht die FPÖ wie keine andere Partei für Inkompetenz, Postenkorruption und Staat im Staat bzw. Polizeistaat. Über die Gewerkschaft AUF hat man breite Teile der Polizei unterwandert, wo es überdurchschnittlich viele reaktionäre bis rechtsextreme Beamte (so gut wie alles Männer) gibt. Gleichzeitig verfügt man in den eigenen Reihen über noch weniger Kompetenz als die ÖVP. Wie beide Parteien einen Hang zur Postenschacherei haben, zeigen etwa der Ibiza-Skandal sowie unzählige Chats, die glücklicherweise öffentlich gemacht wurden. 
  • Die FPÖ ist mit Putin bzw. seiner "Partei" verhabert und kann als trojanisches Pferd in der gesamten EU betrachtet werden. 
  • Die FPÖ hetzt gegen etablierte Medien sowie persönlich gegen Journalist*innen und hat eine mediale Parallelwelt geschaffen, in der sie von nichts und niemandem kritisiert wird. FPÖ-Sympathisant*innen leben in einer gigantischen Echokammer voller Verschwörungstheorien zu Immigration, Feminismus, (Corona-)Impfungen, Umweltschutz, Grün-Wähler*innen, "Systemmedien", "Systemparteien" usw. Dass ihre Hauptklientel dabei über keinerlei Medienkompetenz verfügt, spielt ihr dabei sehr in die Hände. 
  • Apropos Hauptklientel: das sind natürlich gering gebildete ältliche weiße Männer, aber auch leicht zu manipulierende Frauen, die beide schon immer einen Hang zu Verschwörungsphantasien sowie Aggressionen gegen Immigrant*innen/Zuwanderung, Feminismus/Frauenrechte, LGBTIQA+-Menschen, Umweltschutz und "das System" bzw. "die da oben" hatten. Die FPÖ bedient hier niedrigste Instinkte und Vorurteile und schwadroniert immer öfter von einer so genannten "Elite", die angeblich die "einfache Bevölkerung" manipuliere und bevormunde. 
  • Last but not least ist die FPÖ eine "Opferpartei": man wähnt sich ständig als das Opfer der bösen Medien, der bösen "Eliten", der bösen Immigrant*innen, der bösen Feminist*innen usw. Man wähnt überall Zensur und dass man "gecancelt" wird, sieht sich von irgendeiner "political correctness" genauso entmündigt wie entmannt. 
Wie nun Menschen aus den Fängen der FPÖ befreien? Natürlich ist Bildung und Medienkompetenz ein großes Thema, aber bei Menschen über 50 wird das schwer. Eine EU-weite restriktive Migrationspolitik könnte der FPÖ Stimmen abgraben, aber das müsste man einmal ernsthaft versuchen. Falsch ist es auf jeden Fall, wenn man - wie die ÖVP - die Politik der FPÖ kopiert und damit reüssieren möchte. Ich werde mich in einem der nächsten Blogposts mit Lösungen des Rechtsrucks beschäftigen.
Hier als Schlusswort möchte ich noch einmal eindringlich vor der rechtsextremen Kickl-FPÖ und ihren Ideen warnen. Ich möchte in keiner Gesellschaft leben, in der die FPÖ den Kanzler stellt. 

Buchempfehlung: 
Politische Männlichkeit von Susanne Kaiser

Montag, 15. April 2024

Der endgültige Niedergang der ÖVP

In den letzten Jahren hat sich die ÖVP noch viel mehr als davor zu einer sehr einseitigen Partei entwickelt, die genau noch folgende Interessen vertritt:

  • Sie ist seit Kurz ganz offen die selbst erklärte "Hure der Reichen". Natürlich wussten alle, dass die ÖVP schon immer diese Politik für die (Super-)Reichen und Best"verdienenden" gemacht hat, aber seit den Schmid-Chats versucht man es nicht einmal mehr zu leugnen (und könnte das auch nicht). Hauptsächlich wird die ÖVP noch immer von Beamt*innen, Anwält*innen, Ärzt*innen, Professor*innen usw. gewählt bzw. absurderweise zwischendurch auch von verirrten Arbeiter*innen. 
  • Die ÖVP verhindert jeden Umweltschutz, jede Ökologisierung und jeden Biodiversitätsschutz. Sie ist als Bürgermeisterpartei und Landeskaiserpartei Nr. 1 hauptverantwortlich für Flächenversiegelungen, Abholzungen und als oberste Hüterin des Turbokapitalismus - in Gestalt von so genannter Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung - für das Primat von rücksichtslosem Neoliberalismus über dem Wohl von Arbeiter*innen und Angestellten der Mittelschicht. 
  • Für die ÖVP sind finanziell arme und sozial schwache Menschen selbst Schuld an ihrem Schicksal. Man agiert absolut herzlos Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger*innen gegenüber und predigt eine "Leistungsgesellschaft", die es im per definition unfairen Kapitalismus nicht im Ansatz gibt. Was es gibt sind Protektion von Erbschaften, Vermieter*innen und (reichem) Unternehmertum, kurzsichtige Förderung(en) für Arbeitgeber*innen sowie Umverteilungen von unten nach oben - etwa in Form von verfassungsrechtswidrigen Coronaförderungen oder Gedanken über die Reduktion von Lohnnebenkosten. 
  • Die ÖVP ist noch immer die Behüterin der größten und auf Umweltschutz pfeifenden Land- und Forstwirt*innen, indem sie diese vor jeglichen Ökologisierungsmaßnahmen "schützt" und die weitere unfaire Geldverteilung an die großen Betriebe perpetuiert. Außerdem gilt in dieser Branche das Primat der Intransparenz. Auf ökologische Betriebe, kleine Betriebe und Bergbauern wird wie immer gepfiffen. Für Land- und Forstwirt*innen gelten keine Umweltmaßnahmen, es gibt viel zu viele Ausnahmeregelungen und viel zu lange Übergangszeiten.
  • Nach außen hin gibt sich die ÖVP oft noch konservativ und als die Partei für christliche Kirchgänger*innen in klarer Abgrenzung zu allen Menschen mit anderen Konfessionen. Innen drinnen ist sie aber - seit Kurz ganz offen - eine Partei der Message Control und damit der Medienmanipulation sowie eine Partei des rechten Kulturkampfes gegen alles, das als Links empfunden oder geframed wird: das sind etwa alle Gedanken zur überfälligen Arbeitszeitverkürzung, zur längst überfälligen Umverteilung von Erbschaften und Vermögen (etwa für Kinderbetreuung und um Schulen und Universitäten zu modernisieren), zur Stärkung von (alleinerziehenden) Frauen, zur finanziellen Absicherung von finanziell armen und sozial schwachen Menschen, usw. Weiters ist die ÖVP mittlerweile recht offen gegen Immigrant*innen und alle LGBTIQA+-Menschen: die ÖVP ist in den Kulturkrieg der Rechtsextremen eingestiegen und hetzt ziemlich offen gegen alles, das ihrer Meinung nach nicht zu ihrem stockkonservativen Österreich passt. Man vertritt hier einen sehr engen (Leit-)Kulturbegriff, mit dem man vorsätzlich einen großen Teil der Bevölkerung ausschließt und Wähler*innen von der rechtsextremen FPÖ abgraben möchte. Die Strategie geht natürlich nicht auf, die Menschen wählen trotzdem den Schmied und nicht den Schmiedl. Was man aber schafft, ist eine Diskursverschiebung immer weiter nach rechts und dass früher unsagbare Dinge heute im Mainstream gelandet sind. Man denke nur an die 1990er Jahre und die Lichtermeere gegen die rechtsradikalen Ausfälle von Jörg Haider - heute wäre das meiste davon leider kein Aufreger mehr. Gleichzeitig möchte man sich mit dem alten Vorwurf der Cancel Culture gegen Kritik immunisieren - früher hieß woke political correctness und man hetzte im gleichen Ton dagegen und schrieb die genau gleichen Artikel und Bücher dagegen, von den genau gleichen alten weißen Männern. 

Ergo: die ÖVP ist zu einer rechtspopulistischen rechtsreaktionären Reichen- und Bauernpartei verkommen, ohne jedem sozialen Gewissen, ohne jeder christlichen Soziallehre. Man betreibt Klassenkampf von oben gegen alle "da unten" und wird faszinierenderweise trotzdem noch immer von ein paar Arbeiter*innen gewählt. Die Funktionär*innen sind Phrasendrescher*innen und Sprechpuppen, die ihre auswendig gelernten Absätze runterleiern und auf keine Fragen eingehen. Kompetenz spielt keine Rolle, es geht nur ums richtige Parteibuch: Postenkorruption - früher genannt Freunderlwirtschaft - ist essenzieller denn je. Dadurch kommen Personen - meist Männer - in Funktionen, die weder kognitiv noch intellektuell auch nur im Ansatz für diese Posten geeignet sind. Man schaue sich nur das Personal der ÖVP auf allen Ebenen an. Es ist der absolute Wahnsinn.
 
Die ÖVP verhindert seit 37 Jahren nahezu jeden Fortschritt in Österreich. Wir haben einen Stillstand und einen Reformrückstau, der sich gewaschen hat. Österreich hätte eine Vorreiterin auf allen Gebieten werden können. Aber mit einer ÖVP in ständigen Machtpositionen auf allen Ebenen über viele Jahrzehnte hinweg, war das leider nicht möglich. Und jetzt wollen sie das Rad der Zeit zusammen mit der FPÖ noch weiter zurückdrehen. Österreich ist ohnehin eine Bananenrepublik und könnte unter einer neuerlichen FPÖVP-Koalition komplett zu einem Failed State verkommen. Der Bevölkerung scheint das egal oder sogar willkommen zu sein, beide rechte Parteien stehen gemeinsam bei über 50%. Es ist ein Trauerspiel und für gewisse Menschen(gruppen) bleibt wohl nur die Auswanderung. 

Sonntag, 14. April 2024

Über Petromaskulinität

Nachdem sich mein Leseverhalten in den letzten 12 Monaten stark geändert hat, habe ich einige sehr gute Bücher gelesen. Ich habe ich mich von zeitgenössischer Literatur etwas entfernt und dafür meine Leidenschaft für (Auto-)Biographien und wissenschaftliche Bücher wiederentdeckt. Zwar habe ich schon immer auch feministische Literatur rezipiert, aber was da in letzten Jahren alles herausgekommen ist, ist einfach nur fantastisch. Hervorheben möchte ich parallel dazu aktuelle postkapitalistische und ökosozialistische Literatur, die gleichzeitig immer auch (queer)feministisch ist und sein muss. 

Besonders erwähnen möchte ich:

  • Petromaskulinität von Cara New Daggett
  • Kapitalismus am Limit von Ulrich Brand und Markus Wissen
  • Systemsturz: Der Sieg der Natur über den Kapitalismus von Kohei Saito
  • Das Märchen vom Grünen Wachstum von Bruno Kern
  • Rückkehr nach Reims von Didier Eribon 
  • Tax the Richt von Jorgen Randers und Till Kellerhoff
  • Die Grüne Lüge von Kathrin Hartmann (das Buch zum augenöffnenden Film)
  • Klartext Klima von Sara Schurmann
  • Die Klimaschmutzlobby: Wie Politiker und Wirtschaftslenker die Zukunft unseres Planeten verkaufen von Susanne Götze und Annika Joeres
  • Backlash - Die neue Gewalt gegen Frauen von Susanne Kaiser
  • (Frauen) Literatur: Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt von Nicole Seifert
  • Die Erfindung der Hausfrau von Evke Rulffes
  • Not Your Business, Babe!: Alles, was du als Frau über die Arbeitswelt wissen musst von Verena Bogner 
  • Das Patriarchat der Dinge von Rebekka Endler
Zwei Dinge sind mittlerweile glasklar für mich, wie für viele Wissenschaftler*innen und interessierte Leser*innen: der neoliberale patriarchale Kapitalismus ist am Ende, befindet sich in seinen letzten Zuckungen und muss, wollen wir als Menschheit weiter existieren, überwunden werden. Die einzige Lösung hierfür sind eine (feministische) Degrowth-Gesellschaft und Ökosozialismus. Das zweite ist: ebenso ist das Patriarchat am Ende: ansonsten würden obskure Gestalten wie Trump oder Kickl keine Wahlen gewinnen - ihr Erfolg ist einzig ein Zeichen für die Hilflosigkeit von fragilen SUV-Männlichkeiten, die in einer progressiven egalitären feministischen Zukunft den Teufel selbst vermuten. Beide Punkte, also kapitalistische neoliberale Umweltzerstörung sowie patriarchale Umwelt- und Menschenzerstörung, bilden dabei eine Einheit. Der Begriff der Petromaskulinität fasst das perfekt zusammen. Ich übernehme seine Definition kurz und prägnant von Wikipedia: 

Petromaskulinität 
(von englisch petromasculinity, abgeleitet von Petroleum = Erdöl, und Maskulinität = Männlichkeit) 
beschreibt die Verknüpfung von weißer, hegemonialer Männlichkeit mit einem Festhalten an fossilen Brennstoffen, Klimawandelleugnung und Autoritarismus.

Petromaskulinität bedeutet dabei auch immer die Politik für den geringen - weit überwiegend männlichen - Prozentsatz der best"verdienenden" und Vermögen-geerbten Bevölkerung. Diese Schicht lebt auf Kosten der anderen 90% der eigenen Bevölkerung sowie auf Kosten von 100% der Bevölkerung des globalen Südens. Petromaskulinität steht also auch für Neokolonialismus, Rassismus und Rücksichtslosigkeit bzw. Klassenkampf von oben (zu all dem in späteren Posts mehr).
 
Aktuell erlebt diese Petromaskulinität wieder einen Aufschwung, etwa in Gestalt von Trump, Putin, der FPÖ und ÖVP, der AfD, CSU und FDP, der SVP, der Lega usw. usf., aber auch in Gestalt von Frauen wie LePen und Meloni und ihren Parteien. Wir alle dachten das alles bereits hinter uns, aber der globale (Wieder-)Aufschwung von Krieg, Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und spätkapitalistischem Autoritarismus zeigen leider, dass das umweltzerstörende Patriarchat mit seinen Exponennt*innen doch noch stärker ist als befürchtet. Dieser Wiederaufschwung der Vergangenheit als Backlash wird in erster Linie von fragilen Petromaskulinisten befeuert. Es ist ein Teufelskreis: je mehr Rechte Frauen haben, je egalitärer eine Gesellschaft eigentlich wird, desto mehr wird sie von ewiggestrigen Kräften angegriffen.

In manchen Parteien betont man zwar, dass Klimaschutz wichtig wäre, zeigt dann aber doch mit dem Finger lieber auf China und die USA, bevor man selbst etwas verändert, oder sagt aus Prinzip, dass ja "die Menschen da nicht mitgehen würden" und " man möchte niemanden üBeRfOrDeRn". Und oft scheitern bereits die kleinsten Veränderungen an fragilen männlichen SUV-Egos, wie etwa niedrigere oder überhaupt Geschwindigkeitsbeschränkungen. Diese fragilen SUV-Egos sind es auch, die die so genannten Klimakleber*innen der Letzten Generation verdreschen und beleidigen. Und die friedlichen, aber natürlich unangenehmen, Protest kriminalisieren wollen. Das gipfelt in Präventivhaft(!!!) und Ideen von Anlassgesetzgebung, um diese Menschen nur ja irgendwie hinter Gitter zu bringen. Hier zuckt hilflos die patriarchale kapitalistische Umweltzerstörung in ihren letzten Atemzügen. 

Es zeigt sich klar, dass Klimaschutz und Ökologie ohne gesellschaftlicher feministischer Wende - und damit auch mit Klassenkampf gegen oben - genausowenig denkbar sind wie postkapitalistische Gesellschaften bis hin zu Degrowth-Gesellschaften. Denn wie in den oben erwähnten Büchern sehr erhellend nachzulesen ist, ist Kapitalismus ohne beharrender Petromaskulinität nicht denkbar. Um das zu überwinden, müssen wir progressive umweltbewusste Parteien wählen, denn nur diese können uns aus dem kapitalistischen patriarchalen Gefängnis befreien, in dem uns konservative und rechtsextreme Parteien weiterhin einsperren wollen. 
In den nächsten Posts werde ich näher darauf eingehen und auch auf den absolut nötigen (feministischen) Klassenkampf, der leider in den 1980er Jahren von den sozialdemokratischen Parteien aufgegeben wurde. 

Samstag, 13. April 2024

TERFs und eine verspätete Neubewertung der EMMA

In den letzten Jahren, seit meinem letzten Post, ist leider sehr viel passiert und leider sehr viel Negatives. Die Klimakatastrophe wird von (Boomer-)Petromaskulinisten in Politik und Gesellschaft nicht nur ignoriert bis geleugnet, sondern immer weiter entflammt. Hegemoniale Männlichkeit in Form des Patriarchats wurde leider auch nie wirklich bekämpft, im Gegenteil: Österreich ist EU-weit noch immer das einzige Land, in dem mehr Frauen als Männer getötet werden. Wir haben leider keine Frauenministerin, die das Problem ernst nimmt, im Gegenteil, sie leugnet das europäische Patriarchat und schiebt alles auf die "bösen Ausländer". Unterstützt werden sie und ihre rechtsreaktionäre ÖVP von einem gesellschaftlichen Backlash und einem damit einhergehenden Aufschwung der rechtsradikalen FPÖ, als hätte es weder das Ibiza-Video, noch zahllose andere mutmaßliche Korruptionsskandale der Kurz-Regierungen nie gegeben. Die Wähler*innen in Österreich sind mehr als vergesslich und schauen auch darüber hinweg, wie die FPÖ mit dem imperialistischen Kriegstreiber/Kriegsverbrecher/Völkermörder Putin verbandelt ist. Und beim zweiten aktuellen Krieg, jenem im Gazastreifen, verbünden sich Rechte und verirrte Linke in einem wirren Antisemitismus und Israelhass. Dabei spielt dann die überlebensnotwendige Wende weg von Kapitalismus hin zu Degrowth und Ökosozialismus auch keine Rolle mehr: "Es ist eh schon alles wurscht", könnte man sich denken. Ja, wir leben in sehr interessanten/spannenden Zeiten und das ist nichts Gutes. Die liberale Demokratie steht auf dem Spiel und die reaktionäre Rechte hat in Form von TERFs neue Verbündete erhalten (siehe etwa in Über Transidentität von mir selbst). 

Die EMMA und Alice Schwarzer machen mittlerweile seit Jahren keinen Hehl mehr aus ihrem Hass auf trans Menschen. Es ist erschütternd, was in diesem Schundblatt an Lügen und Verleumdungen publiziert werden. Und leider nicht nur in der EMMA. In den letzten Jahren, in etwa seit Trumps Aufstieg, hat sich kommend aus dem angloamerikanischen Raum ein kulturhysterischer Furor gegen trans Menschen entwickelt, der am ehesten noch vergleichbar ist mit dem Furor gegen Homosexuelle in den 1970ern und 1980ern (Stichwort AIDS). So genannte Trans Excluding Radical "Feminists" haben einen radikalen Pakt mit rechten Backlash-Kräften und Kulturkrieger*innen geschlossen, um trans Menschen unsichtbar zu machen, auszulöschen und aus der Öffentlichkeit zu vertreiben. 

Wie immer gilt im Internetzeitalter: viel Meinung, wenig Ahnung. Und wer am Lautesten schreit, dem oder der wird am Meisten zugehört. Das geht einher mit einer Wissenschaftsfeindlichkeit und Antiintellektualität, die beide heutzutage wenigstens erforscht und nicht mehr geleugnet werden (können). Man(n) ist Stolz darauf, keine Universität je von innen gesehen zu haben, dafür aber auf 17 Telegramm- und 13 Youtube-Kanälen Top-User(in) zu sein. Mich verblüfft immer wieder das riesengroße Mitteilungsbedürftnis von Männern und wie wenig reflektiert sie in ihren Echokammern agieren. Aber dazu in einem anderen Post. Hier geht es um TERFs und ihre Verbündeten. 

Zum ersten Mal zu tun hatte ich persönlich mit TERFs vor vielen Jahren auf Facebook. Ich bemerkte, wie bis dahin integre Personen plötzlich ziemlich wirr gegen das Konzept Gender anschrieben. Ich kannte mich überhaupt nicht aus und belächelte das zuerst. Dann schwappte das alles auf Twitter und in Zeitungsforen über (auch im standard wird viel zu wenig moderiert) und das multiplizierte diesen TERF-Furor um ein Vielfaches. Schnell war aber klar, dass man mit keinerlei Argumenten kam, sondern nahezu ausschließlich mit Gefühlen und Vermutungen zu argumentieren versuchte. Leider verfing sich das natürlich viel zu gut, denn das Netz ist ein hochemotionalisierter Raum, der nicht viel Platz für Wissenschaft und Rationalität bietet. Diese starken Emotionen, gepaart mit erfundenen Anekdoten und dem bereits exisitierenden Kulturkampf von rechts, bot den idealen Nährboden für diesesn gigantischen Backlash und diese irre Verbrüderung von konservativen bis reaktionären Kräften mit Rechtsextremen und ehemaligen Radikalfeminist*innen. Eine sehr unheilige Melange vieler verwirrter Köpfe und Trittbrettfahrer*innen, die auf dem Rücken einer Minderheit Reichweite und Clicks generieren, oder gleich Geld sammeln. Oder - im Falle von politischen Parteien - Stimmen sammeln. Leider hat sich hier auch die EMMA eingefunden mit einer genauso laut- wie Meinungs-starken Schwarzer, die keine Ahnung von der Thematik hat und die gleiche Negativpropaganda hinausplärrt, wie die AfD und FPÖ (leider gibt es auch bei der SPÖ und den Grünen TERF-Politiker*innen und -Funktionär*innen). 

Ich gebe zu, dass ich die EMMA und Schwarzer zu lange idealisiert habe. Vielleicht war ich selbst mal Radikalfeministin, bevor aus ihnen TERFs wurden. Heute bin ich jedenfalls stolze linke Queerfeministin, die überall für LGBTIQA+-Rechte kämpft. Nur auf Twitter bin ich nicht mehr. 

Sonntag, 24. Mai 2020

Über Manspreading und männlichen Chauvinismus

Ich gehe leidenschaftlich, seit 25 Jahren, auf Metalkonzerte und bin mittlerweile mit 39 fast immer unter den Älteren. Ich liebe noch immer Progressive bis Death Metal, Hardcore, aber auch normalen Hard Rock. Ich bin sehr sportlich möchte ich noch dazusagen und topfit. Früher habe ich allerdings Alkohol getrunken, seit über 3 Jahren trinke ich keinen Tropfen mehr. Vielleicht bemerke ich deshalb das Verhalten von Männern besser, vielleicht waren mir früher, als ich noch nicht so (feministisch) reflektiert war, viele Sachen noch nicht so klar und wichtig wie heute. Nicht zuletzt schafft Betroffenheit Aufmerksamkeit. Vielleicht ist es das Alter, das mich klarer und auch kritischer sehen lässt, ich weiß es nicht. Aber folgende Punkte nerven mich vor allem bei Metalkonzerten wirklich ungemein. 
Denn folgendes sehe ich mittlerweile bei fast allen Konzerten: betrunkene Männer, die Frauen belästigen (auch mir ist das in den letzten drei Jahren schon passiert; früher sowieso) und Männer, die mehr Platz einnehmen als ihnen zusteht und mit ihrem Verhalten Frauen vertreiben. Ich zahle für die Eintrittskarte gleich viel wie die Typen, mir steht gleich viel Platz zu, ich habe genauso das Recht auf einen Platz ganz vorne an der Bühne. Und dort wäre ich auch gern: weiter vorne und damit vor und nicht hinter den großen Gestalten, die die Sicht behindern. Leider werde ich aber von Männern vertrieben, von weiter vorne nach weiter hinten. Das geschieht gar nicht immer absichtlich, aber es geschieht. Trotz meinem Kraft- und Ausdauertraining kann ich mich gegen jüngere Männer nicht durchsetzen und muss meinen Platz verlassen und lande am Ende vom Konzert zuverlässig (viel) weiter hinten. Das ist richtig lästig und meiner Meinung nach auch einfach unfair. Denn nirgendwo steht, dass Männer das Recht auf die vorderen Plätze gepachtet haben und/oder dafür extra zahlen würden.
Man kann dieses männliche Verhalten allgemein unter dem Begriff „manspreading“ subsummieren: ich meine damit mehr als das breitbeinige Sitzen in öffentlichen Verkehrsmitteln, nämlich die allgemeine Inanspruchnahme von viel (mehr) öffentlichem Platz bzw. Raum (als ihnen zusteht). Es ist den Männern nicht immer bewusst, dass ihre aggressive vereinnahmende Art - bei Konzerten etwa circle pits und moshpits - andere Menschen stören und vertreiben könnte. Sie sehen es nicht oder wollen es nicht sehen, dass sie mit diesem ihrem dominanten Territorialverhalten andere Menschen vertreiben. Das ist ein rücksichtsloser engstirniger egozentrischer Zugriff auf die Ressource (halb)öffentlicher Raum. Sie missachten den Anspruch anderer Menschen und meinen, ihr Anspruch wäre per se bzw. a priori mehr wert, da sie ja Männer sind. Und die Welt hat den Männern nie etwas anderes beigebracht bzw. gezeigt als dass sie die Norm sind und sie sich nach ihnen richtet. So definiert sich auch Chauvinismus: als Glaube an die Überlegeneheit der eigenen Gruppe – und jene heißt in diesem Fall Mann. Sie fühlen sich überlegen und werten andere Menschen, in diesem Fall Frauen (unbewusst) mit ihrem Revierverhalten ab. In unserem misogynen Patriarchat wird die männlichkeitsorientierte Perspektive auch nie wesentlich hinterfragt (zumindest nicht/nie von den Profiteuren) – das nennt sich Andozentrismus: der Mann als Norm, Maßstab und Zentrum der Welt. Die Frau und ihre Ansprüche werden zum "Anderen", das sich außerhalb der Norm befindet (siehe dazu sehr ausführlich etwa Simone de Beauvoir). Die Ansprüche der Frau werden dadurch abgewertet und nicht ernst genommen, oft nicht einmal wahrgenommen. Es ist egal, wie sich die Frau fühlt, ihre Gefühle, Meinungen, Gedanken sind nicht der Rede wert.
Glücklicherweise sehen das heutzutage nicht mehr alle Männer so, aber wir befinden uns mitten in einem Backlash aus einer ohnehin nicht ansatzweise befriedigenden Situation. Es ist gefährlich, dass sich unsere konservative Gesellschaft noch weiter zurückbewegt in Richtung 1950er Jahre. Die reaktionären gesellschaftlichen Kräfte spiegeln dabei die Vorgänge bei Metalkonzerten überraschender- wie traurigerweise sehr gut wider. Als Frau wirst du (wortwörtlich) mit deinen Bedürftnissen an den Rand gedrängt und bist nahezu hilflos.
Leider würde ich mir mittlerweile bei Konzerten eigene Frauenzonen wünschen, in denen ich nicht von Männern belästigt oder verdrängt werde.

Donnerstag, 7. Mai 2020

Kleine österreichische Corona-Manöverkritik

Ich stelle hier weder die Gefahr von Covid-19 in Frage noch die Sinnhaftigkeit des Lockdowns. Für mich steht außer Frage, dass das Coronavirus gefährlicher ist als das Grippevirus. Das hier ist also nichts für Verschwörungstheoretiker. Gleich zu Beginn möchte ich das aktuelle Addendum Nr. 12 empfehlen, das sehr kritisch berichtet hat. Außerdem hat in den letzten Wochen vor allem das Nachrichtenmagazin profil immer wieder kritisch berichtet bzw. mit kritischen Kommentaren geglänzt. Als drittes immer empfehlenswert ist der falter. Des weiteren habe ich u.a. die Zeitschrift news abonniert. Ich werde nicht alle Artikel, auf die ich mich beziehe, verlinken.

Wie gesagt, meiner Meinung nach war der Lockdown nötig, um ein explosionsartiges Ausbreiten des Virus zu vermeiden. Allerdings hat man wohl mit der Wieder-Eröffnung des Landes zu lange gewartet und nimmt hier Kollateralopfer und Kollateralschäden in Kauf, was nicht nötig wäre. In erster Linie geht es mir um die Kollateraltoten, die keine ausreichende medizinische Versorgung in den Spitalsambulanzen erhalten, keine oder zu späte Untersuchungen, keine oder zu späte Therapien. Die Früherkennung von Erkrankungen findet nicht ausreichend statt, viele Menschen erhalten weder eine rechtzeitige noch die richtige Therapie. Dass sogar lebensnotwendige Operationen bis zum Sankt Nimmerleins-Tag aufgeschoben wurden und werden, ist eine grob fahrlässige inakzeptable Sauerei zu Lasten vieler Schwerkranker und Leidender. Die etablierten Medien sollten das zum großen Thema machen und sich nicht ausschließlich auf die Wirtschaft konzentrieren.
Dann gibt es sicherlich noch Suizide - ein Thema, das man auch immer angreifen muss, denn es ist real (ich spreche aus eigener Erfahrung). Für viele Menschen wird dieser Shutdown auch zum seelischen und psychischen Lockdown, zurückgeworfen auf sich selbst, ohne soziale Kontakte oder einfache Umarmungen. Ohne einer Schulter zum Ausweinen kann selbst ein für Außenstehende simpel ausschauendes Problem für einen Menschen mit Vorerkrankung oder Prädisposition zum Desaster werden. Ja, Telefonnummern, wie unten verlinkt, und daraus resultierende Gespräche können im ersten Moment helfen, sind aber keine Dauerlösung - das persönliche Gespräch ist unersetzbar.
Auch wirtschaftlicher Untergang kann zu Suiziden führen. Und was ich so mitbekomme, funktionieren die wirtschaftlichen Hilfen wenig bis gar nicht. Ich lese in all meinen abonnierten Zeitschriften und Zeitungen, dass die Hilfen erstens viel zu bürokratisch zu beantragen sind, dass zweitens die Banken nicht so tun wie sie versprochenerweise tun sollten und dass drittens das Geld einfach nicht schnell genug oder gar nicht (wenn man nicht in die scharfen Kriterien fällt oder der falschen Berufsgruppe angehört) ankommt. Die Regierung scheint hier auf breiter Linie versagt zu haben. Das "Koste es was es wolle" stellt sich als Fata Morgana heraus. Näher werde ich auf das Thema Wirtschaft aber nicht eingehen, weil ich mich diesbezüglich nicht genug auskenne. Ich könnte nur die von mir gelesenen Artikel zusammenfassen.
Womit ich mich auskenne, sind Depressionen und ungenügende medizinische Versorgung. Und darum möchte ich noch einmal betonen, wie fahrlässig diesbezüglich der komplette Lockdown war und dass die Wieder-Eröffnung der Spitäler viel zu langsam vonstatten geht. Die Wirtschaft wurde schon abgewürgt, jetzt geht es darum, die Kollateraltoten des Shutdowns zu verhindern oder wenigstens zu vermindern.
Eine rasche Öffnung von Spitalsambulanzen inklusive Psychiatrien sowie aller PsychotherapeutInnen und PsychologInnen ist das Gebot der Stunde.
Ich hoffe, die Regierung wird so ehrlich sein und diese Kollateraltoten in ihre Rechnung miteinbeziehen.
Und man wird auch über den schwedischen Weg ernsthaft nachdenken müssen. Das werde ich im 2. Teil thematisieren...

Krisentelefonnummern

Notrufnummern bei Depressionen