Wieder einmal drängt die FPÖ in eine von der ÖVP angeführte Regierung. Da kann die ÖVP noch so sehr gegen Kickl angehen, niemand wird der ÖVP ernsthaft glauben, nicht sofort nach der nächsten Wahl mit der Kickl-FPÖ zu koalieren. Beiden Parteien geht es um Macht, Einfluss, Geld und Postenschacherei. Mit der ÖVP hab ich mich in meinem letzten Blogpost beschäftigt, heute schreibe ich über die FPÖ.
Die FPÖ ist heute unter Kickl mehr denn je eine in weiten Teilen rechtsreaktionäre bis rechtsextreme Partei und vertritt noch viel mehr als die ebenfalls rechtskonservative ÖVP folgende Dinge:
- Der Kernpunkt der FPÖ ist Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, weißer Nationalismus/Staatschauvinismus und eine Festung Österreich bzw. Europa. Man möchte nicht nur alle Menschen unterschiedslos von Europa fernhalten, man möchte alle Menschen mit Migrationshintergrund, auch wenn sie in Europa geboren wurden, aus der EU ausweisen ("Remigration"). Bei der Wahl der Mittel ist man da nicht zimperlich. Die Grenzen müssen um jeden Preis gesichert werden, auch wenn das noch so viele Menschenleben kostet. Dafür möchte man die Genfer Flüchtlingskonvention genauso ändern wie die Europäische Menschenrechtskonvention. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass unser aller Grundrechte mit dieser FPÖ (wieder) zur Debatte stehen.
- Das gleiche gilt auch beim Thema Frauen- und Minderheitenrechte. Rechtsreaktionäre und Rechtsextreme weltweit möchten die Zeit zurückdrehen, u.a. weil sie ihre hegemoniale Männlichkeit - also das Patriarchat - "bedroht sehen", und aus Frauen wieder Menschen zweiter Klasse machen, die nicht über sich selbst bestimmen dürfen, denn Selbstbestimmung untergräbt das chauvinistisch-männliche Anspruchsdenken über die Frau und ihren Körper (glücklicherweise ticken nicht alle Männer so). Schwangerschaftsabbrüche sollen wieder verboten werden, weiters steht Verhütung in der Ehe zur Disposition und es wird nicht lange dauern bis das Recht auf selbstbestimmte Arbeit und eigenen Verdienst/eigene Ersparnisse/eigenes Geld nicht mehr garantiert ist. Die Frau soll Kinder gebären und dem Mann (dem "Haushaltsvorstand" bzw. "Hausvater") unentgeltlich den Haushalt führen. Sie soll kochen, putzen und den Mund halten - das wollen so genannte "male supremacists". Emanzipation und Feminismus sind der Feind, der zerstört gehört, eine angebliche "Verweiblichung" von Männern und Gesellschaft wird herbeifantasiert: dass damit beispielsweise gemeint ist, dass soft skills wie Empathie wichtiger werden und männliche Gewalt zunehmend geächtet wird, wird als ent-Mannung angesehen. Denn Männer stünden "kraft natürlicher biologischer Ordnung" (=evolutionsdarwinistischer Biologismus) über Frauen, wer das in Frage stellt - wie etwa Feminist*innen und Linke -, wird zum Feindbild. Parallel gelten LGBTIQA+-Minderheiten als das absolute Feindbild in der authochtonen Bevölkerung. Vor allem trans Menschen sollen totgeschwiegen, ausgelöscht und gecancelt werden. Aber auch homosexuelle Männer haben bei den Rechtsautoritären keine guten Karten. Das Ganze mündet in einen sehr ekelhaften Kulturkampf von rechts: Hegemoniale Männlichkeit ist dabei die "Einstiegsdroge" für rechtsextreme Ideologien - Incels wählen FPÖ. Misogyne Maskulinisten und misogyne Rechtsextreme (dazu zählt auch die radikale TERF-Hasssekte) sind kaum mehr zu unterscheiden.
- Die FPÖ ist wirtschaftspolitisch die gleiche Reichenpartei wie die ÖVP. Bloß keine Steuern auf Erbschaften und Vermögen, bloß keine "Belastungen" für die Best"verdienenden". Dass sie es trotzdem schafft, von Arbeiter*innen gewählt zu werden, liegt daran, dass seit den 1990er Jahren der Diskurs weit nach rechts gedriftet ist. Was rechte bis rechtsextreme Gruppen heute regelmäßig rausposaunen, hätte damals zurecht Aufschreie hervorgerufen. Die FPÖ beherrscht die Klaviatur der Panikmache vor Zuwanderung perfekt und bedient damit die dunkelsten Ängste der Menschen vor Jobverlust, vor dem Teilen-Müssen von "angestammten" Privilegien mit den "Fremden aus dem Ausland" und vor Gewalteskalationen durch "muslimische Terroristen". Leider liegt in jeder dieser Ängste ein Körnchen Wahrheit vergraben und das bringt der FPÖ die Stimmen der Menschen, die keine Parteiprogramme lesen und die sich von Gefühlen leiten lassen und nicht von Fakten.
- Die FPÖ ist eine petromaskulinistische Partei. Das Benzinauto ist ein Heiligtum, dessen Benutzung nicht eingeschränkt gehört. Tempolimits werden als Freiheitsentzug empfunden. Gleichzeitig wird Umweltschutz als "Handlungsverbote" geframed. Hier geht eine ungeheure Wissenschaftsfeindlichkeit einher mit einer impertinenten Antiintellektualität, was in einer verschwörungsideologischen Klimawandelleugnung mündet.
- Dabei steht die FPÖ wie keine andere Partei für Inkompetenz, Postenkorruption und Staat im Staat bzw. Polizeistaat. Über die Gewerkschaft AUF hat man breite Teile der Polizei unterwandert, wo es überdurchschnittlich viele reaktionäre bis rechtsextreme Beamte (so gut wie alles Männer) gibt. Gleichzeitig verfügt man in den eigenen Reihen über noch weniger Kompetenz als die ÖVP. Wie beide Parteien einen Hang zur Postenschacherei haben, zeigen etwa der Ibiza-Skandal sowie unzählige Chats, die glücklicherweise öffentlich gemacht wurden.
- Die FPÖ ist mit Putin bzw. seiner "Partei" verhabert und kann als trojanisches Pferd in der gesamten EU betrachtet werden.
- Die FPÖ hetzt gegen etablierte Medien sowie persönlich gegen Journalist*innen und hat eine mediale Parallelwelt geschaffen, in der sie von nichts und niemandem kritisiert wird. FPÖ-Sympathisant*innen leben in einer gigantischen Echokammer voller Verschwörungstheorien zu Immigration, Feminismus, (Corona-)Impfungen, Umweltschutz, Grün-Wähler*innen, "Systemmedien", "Systemparteien" usw. Dass ihre Hauptklientel dabei über keinerlei Medienkompetenz verfügt, spielt ihr dabei sehr in die Hände.
- Apropos Hauptklientel: das sind natürlich gering gebildete ältliche weiße Männer, aber auch leicht zu manipulierende Frauen, die beide schon immer einen Hang zu Verschwörungsphantasien sowie Aggressionen gegen Immigrant*innen/Zuwanderung, Feminismus/Frauenrechte, LGBTIQA+-Menschen, Umweltschutz und "das System" bzw. "die da oben" hatten. Die FPÖ bedient hier niedrigste Instinkte und Vorurteile und schwadroniert immer öfter von einer so genannten "Elite", die angeblich die "einfache Bevölkerung" manipuliere und bevormunde.
- Last but not least ist die FPÖ eine "Opferpartei": man wähnt sich ständig als das Opfer der bösen Medien, der bösen "Eliten", der bösen Immigrant*innen, der bösen Feminist*innen usw. Man wähnt überall Zensur und dass man "gecancelt" wird, sieht sich von irgendeiner "political correctness" genauso entmündigt wie entmannt.
Wie nun Menschen aus den Fängen der FPÖ befreien? Natürlich ist Bildung und Medienkompetenz ein großes Thema, aber bei Menschen über 50 wird das schwer. Eine EU-weite restriktive Migrationspolitik könnte der FPÖ Stimmen abgraben, aber das müsste man einmal ernsthaft versuchen. Falsch ist es auf jeden Fall, wenn man - wie die ÖVP - die Politik der FPÖ kopiert und damit reüssieren möchte. Ich werde mich in einem der nächsten Blogposts mit Lösungen des Rechtsrucks beschäftigen.
Hier als Schlusswort möchte ich noch einmal eindringlich vor der rechtsextremen Kickl-FPÖ und ihren Ideen warnen. Ich möchte in keiner Gesellschaft leben, in der die FPÖ den Kanzler stellt.
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Politische Männlichkeit von Susanne Kaiser
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