Ich gehe leidenschaftlich, seit 25 Jahren, auf Metalkonzerte und bin mittlerweile mit 39 fast immer unter den Älteren. Ich liebe noch immer Progressive bis Death Metal, Hardcore, aber auch normalen Hard Rock. Ich bin sehr sportlich möchte ich noch dazusagen und topfit. Früher habe ich allerdings Alkohol getrunken, seit über 3 Jahren trinke ich keinen Tropfen mehr. Vielleicht bemerke ich deshalb das Verhalten von Männern besser, vielleicht waren mir früher, als ich noch nicht so (feministisch) reflektiert war, viele Sachen noch nicht so klar und wichtig wie heute. Nicht zuletzt schafft Betroffenheit Aufmerksamkeit. Vielleicht ist es das Alter, das mich klarer und auch kritischer sehen lässt, ich weiß es nicht. Aber folgende Punkte nerven mich vor allem bei Metalkonzerten wirklich ungemein.
Denn folgendes sehe ich mittlerweile bei fast allen Konzerten: betrunkene Männer, die Frauen belästigen (auch mir ist das in den letzten drei Jahren schon passiert; früher sowieso) und Männer, die mehr Platz einnehmen als ihnen zusteht und mit ihrem Verhalten Frauen vertreiben. Ich zahle für die Eintrittskarte gleich viel wie die Typen, mir steht gleich viel Platz zu, ich habe genauso das Recht auf einen Platz ganz vorne an der Bühne. Und dort wäre ich auch gern: weiter vorne und damit vor und nicht hinter den großen Gestalten, die die Sicht behindern. Leider werde ich aber von Männern vertrieben, von weiter vorne nach weiter hinten. Das geschieht gar nicht immer absichtlich, aber es geschieht. Trotz meinem Kraft- und Ausdauertraining kann ich mich gegen jüngere Männer nicht durchsetzen und muss meinen Platz verlassen und lande am Ende vom Konzert zuverlässig (viel) weiter hinten. Das ist richtig lästig und meiner Meinung nach auch einfach unfair. Denn nirgendwo steht, dass Männer das Recht auf die vorderen Plätze gepachtet haben und/oder dafür extra zahlen würden.Man kann dieses männliche Verhalten allgemein unter dem Begriff „manspreading“ subsummieren: ich meine damit mehr als das breitbeinige Sitzen in öffentlichen Verkehrsmitteln, nämlich die allgemeine Inanspruchnahme von viel (mehr) öffentlichem Platz bzw. Raum (als ihnen zusteht). Es ist den Männern nicht immer bewusst, dass ihre aggressive vereinnahmende Art - bei Konzerten etwa circle pits und moshpits - andere Menschen stören und vertreiben könnte. Sie sehen es nicht oder wollen es nicht sehen, dass sie mit diesem ihrem dominanten Territorialverhalten andere Menschen vertreiben. Das ist ein rücksichtsloser engstirniger egozentrischer Zugriff auf die Ressource (halb)öffentlicher Raum. Sie missachten den Anspruch anderer Menschen und meinen, ihr Anspruch wäre per se bzw. a priori mehr wert, da sie ja Männer sind. Und die Welt hat den Männern nie etwas anderes beigebracht bzw. gezeigt als dass sie die Norm sind und sie sich nach ihnen richtet. So definiert sich auch Chauvinismus: als Glaube an die Überlegeneheit der eigenen Gruppe – und jene heißt in diesem Fall Mann. Sie fühlen sich überlegen und werten andere Menschen, in diesem Fall Frauen (unbewusst) mit ihrem Revierverhalten ab. In unserem misogynen Patriarchat wird die männlichkeitsorientierte Perspektive auch nie wesentlich hinterfragt (zumindest nicht/nie von den Profiteuren) – das nennt sich Andozentrismus: der Mann als Norm, Maßstab und Zentrum der Welt. Die Frau und ihre Ansprüche werden zum "Anderen", das sich außerhalb der Norm befindet (siehe dazu sehr ausführlich etwa Simone de Beauvoir). Die Ansprüche der Frau werden dadurch abgewertet und nicht ernst genommen, oft nicht einmal wahrgenommen. Es ist egal, wie sich die Frau fühlt, ihre Gefühle, Meinungen, Gedanken sind nicht der Rede wert.
Glücklicherweise sehen das heutzutage nicht mehr alle Männer so, aber wir befinden uns mitten in einem Backlash aus einer ohnehin nicht ansatzweise befriedigenden Situation. Es ist gefährlich, dass sich unsere konservative Gesellschaft noch weiter zurückbewegt in Richtung 1950er Jahre. Die reaktionären gesellschaftlichen Kräfte spiegeln dabei die Vorgänge bei Metalkonzerten überraschender- wie traurigerweise sehr gut wider. Als Frau wirst du (wortwörtlich) mit deinen Bedürftnissen an den Rand gedrängt und bist nahezu hilflos.
Leider würde ich mir mittlerweile bei Konzerten eigene Frauenzonen wünschen, in denen ich nicht von Männern belästigt oder verdrängt werde.