Vor ein paar Tagen, am 19.4.2020, erschien eine aktuelle Umfrage in der Wochenzeitschrift profil, bei der die Kurz-ÖVP bei 48% liegt. Die große Frage ist nun, wer diese 48% sind: wer sind diese Menschen? Wer wählt den Populisten Kurz und Warum?
Ich habe Theorien und möchte diese der Reihe nach durchgehen, zuerst ein grober Überblick:
1. Kurz wird von einem Mittelstand gewählt, der keiner ist, der sich vor hypothetischen Erbschafts- und Vermögenssteuern fürchtet, obwohl man gar nicht betroffen wäre.
2. Kurz wird, das wissen wir spätestens seit der letzten Nationalratswahl, lustigerweise auch von ArbeiterInnen gewählt.
3. Vor allem werden die Türkisen von frustrierten Ex-FPÖ-WählerInnen gewählt.
4. Nicht unwesentlich ist die Zahl von älteren Menschen, die die Türkisen wählen.
5. Beamte wählen Schwarz.
6. Selbstständige wählen in großem Umfang die ÖVP, auch wenn sie wie jetzt nicht liefert.
Nun etwas genauer:
1. Mit einem durchschnittlichen Einkommen ist es heutzutage nahezu unmöglich, die hypothetische eine Million Euro zu ersparen, ab der man von hypothetischen Millionärsabgaben sowie Erbschafts- und Schenkungssteuern betroffen wäre. Kleines Rechenbeispiel: Jemand verdient 2500 Euro netto und erspart sich 1000 Euro monatlich. Vom 13. und 14. Gehalt erspart man sich zusammen 3000 Euro. So ergibt das jährlich 15000 Euro Ersparnis. Nach Adam Riese bräuchte man 66 Jahre, um sich die Million zu ersparen. Gar nicht eingerechnet habe ich hier, dass man in den allermeisten Berufen nicht mit einem Nettogehalt von 2500 Euro einsteigt, oder arbeistlose Zeiten haben könnte oder Fortbildungszeiten. In Österreich gehen außerdem die wenigstens Menschen mit 65 in Pension. Das Fenstern, um auf die Million zu kommen, ist also nicht allzu groß. Sagen wir, man fängt mit 25 an, zu verdienen, und verdient 40 Jahre. Ich komme bei meiner Rechnung auf 25000 Euro, die man sich jährlich ersparen muss, um mit 65 bei der Million zu sein. Das ist richtig viel Geld. Wer Notstandsbeihilfe oder Mindestsicherung bezieht, bekommt so viel Geld nicht in 2 Jahren überwiesen.
In Österreich haben ja nur wenige Menschen Ahnung von einfachster Mathematik, aber diese Rechnung sollten die meisten verstehen. Meine Message dahinter: Sollten Sie noch nie etwas geerbt haben und sollte Ihnen auch kein großes Erbe bevorstehen, werden Sie NIE von Millionärssteuern oder einer Erbschaftssteuer betroffen sein.
2. Viele ArbeiterInnen wählen Türkis wohl auch aus Angst vor Erbschaftssteuern (und zeigen damit, dass sie von Mathematik keine Ahnung haben oder einfach wunschträumen, Teil des Oberen Mittelstands zu sein), aber vor allem aus Ausländerhass. Was mich zu Punkt 3 führt. Kurze persönliche Anmekung: Es ist irre traurig, dass ArbeiterInnen eine Partei wählen, die in Wahrheit auf sie und ihre Anliegen scheißt.
3. Die Kurz-ÖVP betreibt FPÖ-Politik zwar ohne Liederbuch- und Hitlergruß-Skandale (Ausnahmen wie die berühmt berüchtigte antisemitische Facebook-Gruppe bestätigen die Regel). Man ist aber durchaus ausländerfeindlich, homofeindlich, bigott, rechtsreaktionär, unsolidarisch mit der EU usw., verbirgt das aber hinter einer perfekt funktionierenden Message Control und schafft es mit dieser, bei dem kleinsten Riss in der Fassade, von sich abzulenken. 59 PR-Leute soll Kurz laut der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der NEOS beschäftigen. Mit dieser Manpower sowie der meistgelesenen Österreichischen Tages"zeitung" unkritisch verliebt hinter sich, lässt sich JEDE Message unters Volk bringen bzw. Vieles vertuschen. Die Kurz-ÖVP ist weit von christlich-sozial entfernt, schafft es aber, sich als solches darzustellen und wird daher auch von vielen Katholiken unkritisch gewählt, weil etwa Kurz in Interviews von einer "Schöpfung" faselt, wenn er die Natur meint. Die Kirchgänger liegen ihm zu Füßen. Dass Kurz gleichzeitig einen beinharten, unsolidarischen und eiskalten anti-Ausländer-Kurs fährt, ist egal. Offiziell ist das kein Thema. Die ÖVP gilt als die FPÖ in nett, alle kaufen es ihr ab. Man bringt menschenfeindliche Politik in nettem Gewand unters Volk und wird von den Leuten gewählt, auf deren Interessen man pfeift. So wird rechtsreaktionäre ewiggestrige Politik mehrheitsfähig und die Leute merken es oft nicht einmal.
Kurz macht Politik für Reiche, Beamte, Bauern, Massentouristiker, Männer; Umweltthemen sind seiner Partei seit je ziemlich egal, die ÖVP ist eine neoliberale Partei und progressive Gesellschafts- bzw. Frauenpolitik sind ihr ein Gräuel. Kurz macht keine Politik für ArbeiterInnen, Angestellte und Alleinerziehende. Er schafft es aber, dass er auch von Menschen gewählt wird, die ihm egal sind, deren Interessen nicht auf seiner Agenda stehen. Das ist, denke ich, sein größter Zaubertrick.
Ein Vergleich von ÖVP und FPÖ
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